Abriss-Schutz für B.-Brecht-Platz 4 - 6 in
Schwedt/O. Bürgerproteste gegen den Abriss
Auszug aus:
Märkische Oderzeitung
Uckermark-Anzeiger
Schwedt/Angermünde (A 7559) Sonnabend/Sonntag, 31.
Januar/1. Februar 2009
Plötzlich wieder auf der Abrissliste
Mieter der Plattenbauten
am Brechtplatz protestieren gegen Neubaupläne und fordern
Sanierung ihrer Wohnungen
Schwedt
Nach dem angeblich letzten Fall eines Plattenbaus 2006 im Stadtteil
Waldrand flammt der Ärger um den Abriss wieder auf. Diesmal
sollen zwei Wohnblocks am Brechtplatz abgerissen werden, die eigentlich
als sicherer Bestand galten und saniert werden sollten. Doch die
kommunale Wohnungsgesellschaft will hier Neuland beschreiten und
erstmals nach 19 Jahren Rückbau auch wieder neue, größere
und barrierefreie Wohnungen bauen, am selben Platz. Die Mieter,
einige schon wegen Abriss hierher gezogen, sind darüber sauer,
heißt das doch, dass sie schon wieder ausziehen müssen.
Von
MICHAEL DIETRICH
Wolfgang
Purps erinnert sich noch genau: 2004 musste er raus aus seiner Wohnung
im Goethering. Der Block sollte abgerissen werden, um den Wohnungsleerstand
in Schwedt zu bekämpfen. Die verbliebenen Mieter durften sich
neue Wohnungen suchen. Die städtische Wohnungsgesellschaft
Wohnbauten bot ihm und seiner Familie eine Wohnung am Bertolt-Brecht-Platz
6 an. Sicherer Bestand, hieß es, auf den Plänen des Stadtumbaus
nicht für den Abriss vorgesehen.
Als
Purps dann am 13. Januar auf der Mieterversammlung die Zeichnung
sah, die Wohnbauten-Chef Manfred Wilke vom künftig viel schöneren
Wohnen am Brechtplatz an die Wand warf, freute er sich: "Jawoll,
so wollen wir das haben!" Dachte er doch, das wäre sein
Haus nach der Sanierung. Doch das da war nicht sein Haus, sondern
ein Neues. Der Plattenbau, in dem Purps und weitere 17 Mieter heute
wohnen, soll am Ende dieses Jahres abgerissen werden und einem Neubau
Platz machen.
Manfred
Wilke und seine Planer nennen dafür triftige Gründe. "Die
Bevölkerung schrumpft weiter, wir sind gezwungen, zu reagieren
und unser Angebot zu erweitern. Wir haben 5503 voll modernisierte
und 3223 teilmodernisierte Wohnungen. Was uns fehlt sind größere,
altersgerechte, barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen. Wir
wollen den Standort Brecht-Platz erhalten, aber mit einem Neubau",
so Wilke.
Der
Neubau soll 32 statt bisher knapp 80 Wohnungen erhalten, einen Fahrstuhl,
eine AWO- Seniorenbegegnungsstätte und einen personell besetzten
Empfang, der Mieter betreut und kleine Dienste erledigt: Obendrein
soll der Neubau Übel beseitigen, die aus der direkten Lage
am Ärztehaus herrühren. Etwas weiter weggerückt lässt
der Neubau dann Platz für eine Straße von der Leverkusener
Straße zum Parkplatz hinter dem Ärztehaus, was die Umfahrung
über Engelsstraße und Goethering erspart. Und die bisher
schwer vermietbaren Giebelwohnungen erhalten abgerückt vom
Ärztehaus mehr Licht.
Doch
das alles ärgert Wolfgang Purps mehr, als dass er sich über
solche Details freuen könnte. Warum sein Haus nicht wie versprochen
saniert wird, kann er nicht verstehen. "Das wäre doch viel
billiger. Außerdem müssten wir nicht erneut umziehen,
jetzt sogar zweimal, wenn wir hier bleiben wollen", ärgert
sich der 59-Jährige. Für seine Vier-Raum-Wohnung zahlt
er momentan 360 Euro Miete. In der 70 Quadratmeter großen
Wohnung im neuen Haus müsste er 540 Euro berappen. Ob er da
bleibt, ist eher ungewiss. "Im November 2006 hat Bürgermeister
Polzehl laut verkündet, dass das die letzte Platte war, die
im WK 7 abgerissen wird. Jetzt fühlen wir uns wie nach dem
berühmten Tritt in den Hintern", sagt Purps und will die
Angelegenheit öffentlich machen, notfalls bis zum Petitionsausschuss.
Vorerst
hat er von zehn der 17 Mietparteien Unterschriften gegen den Abriss
gesammelt und ein Protestbrief an den Bürgermeister gesandt.
Er führt Argumente ins Feld, wie die guten und energieeffizienten
Drei-Schicht-Verbundplatten der Blöcke, das kostengünstige
Wohnen in den vorteilhaften Grundrissen der Wohnungen. Dass die
Blöcke heute aussehen, wie sie aussehen, liege aus seiner Sicht
an den seit zehn Jahren verschleppten Instandsetzungsarbeiten des
Vermieters.
Manfred
Wilke kennt die Vorwürfe und wirbt dennoch um Verständnis:
"Wir wollten den Block auch sanieren. Aber das Ergebnis wäre
nicht annähernd so gut wie ein Neubau und würde fast genauso
viel kosten, rund drei Millionen Euro. Nach 19 Jahren Rückbau
wollen wir auch mal Neubau." Natürlich reduziert er mit
dem Abriss den Leerstand um mehr als 40 Wohnungen, schafft mit dem
Neubau gesuchten Wohnraum für die immer älter werdenden
Schwedter. Um den Konflikt mit den Mietern zu entschärfen,
hat Wilke angeboten, ihnen eine zehn Prozent geringere Miete anzubieten,
wenn sie nach Abriss und Neubau wieder zurückziehen.
Bürgermeister
Jürgen Polzehl hat angekündigt, die Mieter zunächst
zu einem Schlichtungsgespräch einzuladen.
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